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Charlotte Dos Santos & „Harvest Time“: Anmutig, stark, selbstreflektiert

Charlotte Dos Santos & „Harvest Time“: Anmutig, stark, selbstreflektiert

Nach ihrer eindrucksvollen Debüt-EP in 2021 veröffentlicht Charlotte Dos Santos jetzt „Harvest Time“. Die zweite EP der brasilianisch-norwegischen Sängerin fängt den Zeitgeist der gegenwärtigen Jazzära perfekt ein.


Ein Artikel von Anna Fliege – So zart und doch so kräftig umfasst Dos Santos Stimme des Hörers Gedanken, lässt sie für die Länge von „Harvest Time“ nicht los. Fünf Songs, so filigran kompiniert und produziert. Selbstständig, unabhängig. Das ist Charlottes Stil. Ein kleiner Fakt, der die Anfang der 90er Jahre geborene Künstlerin so schnell hervorstechen lässt.


„Musically, this is the music where I allowed myself to do whatever I wanted. As an arranger, composer, writer, producer, singer, it’s all me. And it feels great to have that autonomy.“


Harvest Time“ ist eine überraschende Reise durch Charlotte Dos Santos Gedanken, durch ihre Beobachtungen und Haltungen. Der gleichnamige Opener voll bittersüßer Melancholie. Das majestätische „Padre„, das die zuvor projezierte frühlingshafte Stimmung ohne Mühe niederschmettert. Wiederhallende, tiefe Stimmen umschlungen von Harfenklängen, durchziehen den Song.

Helio“ mit dem ungeahnten Stilbruch, der die eben noch so traditionellen Ideenschnipsel durch elektronische Beats ersetzt. Dabei hat jeder der fünf Tracks das Potential inne, in einen dramatischen James Bond-Soundtrack auszuarten. Die tatsächliche Zurückhaltung mit den kleinen Twists & Turns macht „Harvest Time“ zu einem wahren Erlebnis. Sie prädigt die Liebe zu sich selbst, ohne phrasenhaft zu werden. Dabei fängt man unüberlegt an, seine Atmung zu verlangsamen. Bedachter zu werden.



Hört man ohne Vorbehalte in die EP rein, fokussiert man sich allzu schnell auf Charlottes Stimme, die so schön erzählen kann. Doch „Harvest Time“ lenkt die Aufmerksamkeit ganz von allein auf ein weiteres, briliantes Talent der Künstlerin. Das Instrumentalstück „The Snow Dance„, das unmittelbar in den fünften Song „Josef“ übergeht, brilliert durch seinen Verzicht auf Worte und des immer noch vorhandenen Storytellings. Emotionen werden ausgelöst, Bilder in Köpfen gemalt, Szenarien kreiert. Nur durch die eigens Musik.

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Charlotte Dos Santos trägt in ihrer Musik zahllose Elemente unserer LieblingskünstlerInnen mit sich. Doch nur zu gerne bleibt man fern von Vergleichen und Namen, die hinter Satzbausteine a lá „klingt wie“ gesetzt werden. Denn Charlotte Dos Santos und ihre EP „Harvest Time“ klingen individuell. Frisch. Einzigartig. Großartig!



Autorin: Anna Fliege / Photocredit: Caroline International

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