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Im Wortwechsel mit ARLO PARKS

Im Wortwechsel mit ARLO PARKS

Arlo Parks ist eine der vielsprechendsten Newcomer*innen der Stunde. Mit ihrer Single „Black Dog“ schafft die 19-Jährige Londonerin gerade ihren internationalen Durchbruch. Anna sprach mit ihr für unseren neusten Wortwechsel.

Es ist einer dieser Donnerstage, an denen nichts so laufen will, wie man es gerne hätte. Das Wochenende zum greifen nah, die letzten Tage noch im Nacken. Als Arlo den Hörer abnimmt und mich begrüßt, lösen sich die vorherigen Negativgefühle in Luft auf. Ihre warme, fröhliche Stimme zaubert mir gleich ein Lächeln auf das Gesicht. Als sie mir erzählt, dass ihr Tag ähnlich nervig war, lachen wir uns beschließen, diesen Donnerstag mit einem schönen Gespräch zu beenden.

Arlo, wie geht es dir allgemein mit all dem, was so in 2020 passiert?

Arlo: Für mich war es bisher eine Reihe von Höhen und Tiefen. Persönlich bekomme ich eine Menge Dinge erledig, gerade schreibe mein Debütalbum. Ich habe für mich selbst gemerkt, dass ich beschäftigt bleiben muss, um bei Verstand zu bleiben. Ich hab mir selbst beigebracht, aufzulegen, Beats zu basteln, ich lese sehr viel.

Aber um ehrlich zu sein, gab es auch ziemliche Tiefpunkte. Es fühlt sich an, als hätte ich überhaupt keine Kontrolle darüber, was passiert. Das ist ganz schön beängstigend.

Ich liebe es, deine Instagram-Posts zu lesen, das lenkt mich immer von dem ab, was da draußen so passiert. Die sind so gefühlvoll und poetisch. Hast du eigentlich mal drüber nachgedacht, ein Buch zu schreiben? Das würde ich direkt kaufen!

Arlo: Das wollte ich schon tun, seit ich ein kleines Kind war. Mit 11 Jahren habe ich angefangen, Geschichten und Lyrik zu schreiben. Das war schon immer ein Teil meiner Art, mich auszudrücken. Ich arbeite tatsächlich an einem Gedichtband. Ich weiß noch nicht, wann es rauskommt, aber es wird irgendwann erscheinen!

Wie schreibst du denn generell? Hast du eine Routine?

Arlo: Es beginnt immer damit, dass ich fünf Minuten am Stück schreibe. Das hilft mir dabei, mein Unterbewusstsein anzuregen. Und das forme ich dann in ein Gedicht. Was wiederum die Basis für meine Songtexte bildet.

Und diese fünf Minuten nimmst du dir jeden Tag?

Arlo: Ja genau, jeden Morgen mache ich das. Und Abends schreibe ich Tagebuch. Ich versuche, jeden Tag irgendwas zu schreiben.

Ich musste lernen, die kleinen Dinge zu schätzen.

Du hast ja schon erzählt, dass du dir in den letzten Minuten viel selbst beigebracht hast. Würdest du sagen, Covid-19 und die damit verbundene Selbstisolation hat etwas für dich verändert? Beziehungsweise hat dich verändert?

Arlo: Hm, ich würde ich auf jeden Fall sagen, dass ich eine Art Dankbarkeit verspürt habe, vorher habe ich Vieles als selbstverständlich hingenommen. Ich musste lernen, die kleinen Dinge zu schätzen. Als ich zum ersten Mal meine Freund*innen auf Distanz wieder treffen konnte, war das plötzlich schon etwas ganz besonderes. Das hat mich so glücklich gemacht – etwas, das ich früher als Selbstverständlichkeit angesehen habe.

Außerdem habe ich mich selbst in dieser Zeit ein bisschen besser kennengelernt. Einfach, weil ich so viel Zeit mit mir selbst verbringen konnte.

Ich liebe deinen Sinn für Ästhetik, der sich durch deine Texte, die Musik, deine Bildsprache zieht! Was inspiriert dich?

Arlo: Mich inspiriert eine Menge. Ich lese viel über Kunstgeschichte. Spaziergänge durch Kunstgalerien inspirieren mich. Aber auch Filme, besonders die von David Lynch und Alfred Hitchkock. Und natürlich Literatur. Mich inspirieren viele verschiedene Dinge, aber am Ende schreibe ich immer auf eine visuelle, bildfokussierte Weise.

Sammelst du diese Inspirationen und Ideen irgendwo?

Arlo: Ich habe zwar meine Plattensammlung, Bücher und Gedichtbände zuhause, aber einen festen Ort gibt es eigentlich nicht. Ich stolpere darüber und lasse sie auch wieder gehen. Außer die Inspirationen, die ich wirklich liebe – die bleiben in meinen Gedanken hängen, so dass ich sie hin und wieder abrufen kann.

Im Kontext deines Covers von „Creep“ hast du geschrieben, dass du das Menschliche in Musik magst und dich dazu hingezogen fühlst. Was hörst du momentan, was zu dieser Beschreibung passt?

Arlo: Ich höre viel Joni Mitchell, vor allem ihr Album „Blue„. Ansonsten höre ich viel King Krule und auch Moses Sumney, sein neues Album ist wirklich toll. Und Phoebe Bridgers.

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Oh, ich liebe Phoebe auch! Ich kann gar nicht aufhören, ihr neues Album zu hören.

Arlo: Sie ist so cool, oder?

Absolut! Ich hab vor ein paar Tagen dein Cover zu „Moon Song“ gesehen, das hat mich richtig glücklich gemacht.

Arlo: Sie ist echt cool. Ich weiß noch, als ich sie entdeckt habe, damals, als „Stranger In The Alps“ rauskam. Da war ich so 16 oder 17. Seitdem ist sie eine meiner Lieblingskünstler*innen.

Den Song im Lockdown releasen und die Reaktion während dieser Zeit zu haben, ist sehr interessant.

Wir müssen natürlich noch über „Black Dog“ reden, auch einer meiner absoluten Lieblingssongs dieses Jahr! Wie hat sich deine Beziehung zu dem Song verändert, seit er veröffentlicht wurde? Da ist ja schon einiges passiert.

Arlo: Für mich ist es interessant, da der Song ein sehr persönlicher ist und aus einer sehr speziellen Zeit stammt. Und dann zu erleben, wie Leute darauf reagieren und mir erzählen, was der Song für sie bedeutet…es fühlt sich fast an, als läge der Song nun in den Händen der Welt. Auch im Hinblick auf den Lockdown: Den Song im Lockdown releasen und die Reaktion während dieser Zeit zu haben, ist sehr interessant.

Selbst für mich ist der Song eine tolle Erinnerung in dieser Zeit, weil es so wichtig ist, mich an Routinen zu halten: „Iss was. Trink Wasser„..weißt du?

Total. „Geh mal in die frische Luft“…

Arlo: Ja, man rutscht irgendwo so in die Situation rein, in der man erst um 14 Uhr aufsteht, total absurd. Aber ja, es ist auf jeden Fall eine positive Veränderung. Das waren die besten Reaktionen, die ich bislang hatte.

Ganz am Anfang hast du erzählt, dass du gerade an deinem Album arbeitest. Wurden die Songs vor dem Lockdown geschrieben? Oder bist du immer noch dran?

Arlo: Die meisten Songs habe ich tatsächlich während der Quarantäne geschrieben. Und bringe immer noch Sachen zusammen, es ist längst nicht fertig. Aber ich war tatsächlich sehr produktiv in den letzten Monaten.

Würdest du behaupten, die Songs wurden von dieser Zeit beeinflusst? Wird die Presse später schreiben, dass man die Isolation hören wird? Grad wird oft so getan, als hätten sich Leute vor Covid-19 nie isoliert, wenn neue Musik rauskommt. Und immer heißt es, wie „ungewollt passend“ alles doch ist. Das nervt mich mittlerweile ziemlich.

Arlo: Es wird in den Songs keine Zeile geben, die explizit über Quarantäne und 1,5 Meter Abstand sprechen. Was Leute dennoch hören werden, ist die Selbstreflexion, die durch dieses Alleinsein stärker geworden ist.

Ich habe mich zudem so viel mit der Vergangenheit beschäftigt. Ich lebe momentan bei meinen Eltern und konnte lange nichts Neues erleben, da bleibt nur, zurückzublicken. Über die Leute nachzudenken, die mich inspiriert und zu dem gemacht haben, was ich heute bin. Ich habe viel in mich selbst reingehört.

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